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S T O L P E R S T E I N E

 

Bismarckstraße 5

9. März 1941

Morgens um acht Uhr klingelte es bei der Familie Appel in der Bismarckstraße. Zwei Soldaten standen vor der Tür, um den Druckereibesitzer Rolf Appel abzuholen. Eine Viertelstunde gaben sie ihm Zeit, sich von seiner Familie zu verabschieden. Der Sohn Walter war bereits zur Schule, so konnte sich Rolf Appel nur von seiner Frau Maria, seinen Töchtern Christa und Waltraud und seinem zweiten Sohn Wolfgang sowie ihrer Druckerei-Angestellten Helene Green verabschieden, bevor er nach Lübeck gebracht wurde. Am 1. Juli 1941 erhielt Frau Appel dann die Nachricht, dass ihr Personenwagen "zwecks Einziehung kommunistischen Vermögens" beschlagnahmt sei und die Buchdruckerei sofort polizeilich geschlossen werde. Auch habe sie am 3. Juli ihre Kinder vormittags auf dem Gemeindebüro abzuliefern, damit sie in Erziehungsanstalten gebracht würden. Da einige Einwohner empört auf diese Maßnahmen reagiert hatten, wurde gewarnt "Wer über den Fall Appel spricht, begeht Volkszersetzung" und es wurden am 3. Juli drei Polizeibeamte abkommandiert, um die Abfahrt der Kinder zu überwachen.

Warum diese unmenschlichen Maßnahmen? Die Familie Appel gehörte der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas an. Aus Glaubensgründen verweigerte Rolf Appel die Teilnahme am Krieg. Bereits am 15. Oktober 1937 waren nach einer gründlichen Durchsuchung von Wohnung und Druckerei durch 8 Gestapo- bzw. Polizeibeamte er und seine Frau verhaftet worden. Sie verbrachten mehrere Monate in Gefängnissen in Kiel bzw. Neumünster und wurden erst 1938 im Rahmen einer Amnestie wieder freigelassen.

Da die Machthaber Rolf Appel nicht umstimmen konnten, wurde nun seine Frau ans Reichskriegsgericht nach Berlin beordert und aufgefordert, ihren Mann zu beeinflussen, was sie jedoch aus religiösen Gründen ablehnte. Allerdings wurde ihr gestattet, ihren Mann einige Male zu besuchen. Während dieser Zeit wurde sie unter Androhung der Einweisung in ein Konzentrationslager gezwungen, ihren Betrieb zu verkaufen. Rolf Appel wurde zum Tode verurteilt und am 11. Oktober 1941 im Zuchthaus in Brandenburg/Havel enthauptet.

Kurz danach musste Frau Appel ihre Wohnung räumen – ihre Möbel wurden an fünf verschiedenen Stellen untergebracht, sie selbst – nun mittellos – musste bei ihrer Mutter wohnen.

Der älteste Sohn Walter, der zunächst ebenfalls in einem Erziehungsheim untergebracht worden war, musste die Schule abbrechen und in Hamburg eine Buchdruckerlehre beginnen. Heimlich befasste er sich mit dem Glauben seiner Eltern, entschied sich für ihn und wurde Silvester 1943/44 heimlich in Malente in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen. Im Alter von 17 Jahren, 1944, wurde er eingezogen. Verbotenerweise konnte er sich noch einmal mit seiner Mutter treffen, bevor er zu seiner Einheit nach Ostpreußen gebracht wurde. Auch er lehnte den Dienst ab. So nahm man ihm seine Kleidung weg und gab ihm lediglich eine Uniform, auch warme Nahrung wurde ihm verweigert. Trotz eisiger Temperaturen blieb auch Walter standhaft. So wurde er schließlich ohne Gerichtsverhandlung ebenfalls enthauptet – ein Jugendlicher, dessen Geburtsdatum in seinen Papieren einfach verändert worden war.

Die beiden Mädchen waren bereits nach einem Jahr aus der Erziehungsanstalt in die Familie eines Arbeitsamtsdirektors gebracht worden – hier sollten sie im Sinne der nationalsozialistischen Lehre umerzogen werden.

Nach Kriegsende bekam Frau Appel ihre drei verbliebenen Kinder zurück. In zweiter Ehe mit einem Glaubensbruder verheiratet, führte Frau Appel den Druckereibetrieb noch einige Jahre fort.

 

 

 

 

 

Raiffeisenstraße

3./4. März 1943

In dieser Nacht beging der Schuhmacher Wilhelm Hass in einer Arrestzelle in der heutigen Raiffeisenstraße, gelegen auf dem Hof der 1932 von der Gemeinde als Altenheim erworbenen ehemaligen Gaststätte "Stadt Schleswig", Selbstmord.

Wilhelm Hass, wohnhaft in den alten Büroräumen des Landwirtschaftlichen Bezugsverein, arbeitete in der Torpedo-Versuchsanstalt in Eckernförde. Obwohl er wegen früherer Zugehörigkeit zur SPD und zum "Reichsbanner" immer mit Verfolgung rechnen musste, konnte er seine Ablehnung des Nazi-Regimes nicht verbergen. Tragischerweise wurde ihm aber nicht etwa kritische Äußerungen am Arbeitsplatz zum Verhängnis, sondern die Schwester seiner Frau. Diese denunzierte ihn bei der Ortspolizeibehörde, die wiederum den NSDAP-Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Heinrich Jessen informierte. Obwohl der Sohn des Beschuldigten, Hermann Hass, ein Jahr zuvor seine Ausbildung bei der Gemeindeverwaltung begonnen hatte, war die Angst vor Repressalien so groß, dass ohne vorherige Anhörung von Wilhelm Hass sogleich der Gendarmeriehauptwachmeister Steen mit der Verhaftung beauftragt wurde. Die Familie versuchte noch, bei Bürgermeister und Büroleiter zu erwirken, dass Wilhelm Hass in seiner Wohnung übernachten dürfe. Sie lebte in der zutreffenden Befürchtung, dass er sich aus Angst vor Gestapo und Konzentrationslager etwas antun würde. Seine Familie war auf die staatliche Fürsorge angewiesen. Nach dem Krieg dauerte es viele Jahre, bis Wilhelm Hass endlich als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt wurde – kein Ruhmesblatt für die Justiz.

Der Gedenkstein für Wilhelm Hass wurde beim Ort der Arrestzelle verlegt, weil die letzte selbst gewählte Wohnung heute auf dem Gelände der HaGe nicht mehr vorhanden ist.

 

 

 

Die Aktion "Stolpersteine" wurde vom Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen.

Vor den letzten selbst gewählten Wohnorten wird im Gehsteig eine Messingplatte

zum Andenken an die Opfer des Nationalsozialismus (Juden, Sinti und Roma,

politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und Euthanasieopfer) verlegt.